„Hui, von den ganzen Umdrehungen wird mir noch ganz schwindelig.“ DJ Bopcat hält den Plattenspieler an, steckt die Vinyl-Single vorsichtig in ihre Hülle und stellt sie in die Box zu den anderen Singles zurück. Der Abend ist aber noch nicht vorbei, im Gegenteil DJ Bopcat hat schon längst die nächste Platte aufgelegt, die den kleinen, stickigen Tanzsaal im Pub mit Klängen aus vergangenen Zeiten erfüllt.
Zu Elvis, Trini Lopez und Sonny Burgess drehen Herren ihre Tanzpartnerinnen über die Fläche und bringen die Petticoats unter den bunten Röcken zum Flattern. DJ Bopcat bekommt davon allerdings nicht viel mit, viel zu sehr ist er auf die Auswahl der richtigen Platten konzentriert. Die Übergänge zwischen den Liedern müssen stimmen, damit es für die Tänzer ein guter Abend wird. Weniger stressig wäre es doch, einen Laptop mitzubringen und eine Playlist abzuspielen. „In der Szene gibt es DJs, die das so machen, aber die, ich sag mal wirklich beliebten DJs legen alle Vinyl auf. Im besten Fall nur Originale.“, sagt Mathias, der hinter DJ Bopcat steckt.
Mathias Arnold ist selbstständiger Berufsmusiker und mit seiner Rock'n'Roll-Gruppe „Ray Allen and his Band“ in der Szene international erfolgreich. Mathias legt als DJ Bopcat auf, weil er Schallplatten hat und schon seit seiner Kindheit von Platten umgeben ist. „Warum ich mich so fokussiert habe, weiß ich nicht genau. Ich habe nicht gesagt ‚Oh, ich muss das so machen, weil das 1958 genau das Ding war‘, sondern weil ich es einfach wollte und Schallplatten für mich ganz normal sind.“
Nicht nur bei Rock‘n‘Rollern sind Schallplatten beliebt. Auch wenn die Verkaufszahlen der physischen Tonträger seit Jahren zurückgehen, steigen seit 2006 die Umsätze mit Schallplatten stetig an, wie aus einem Bericht des Bundesband Musikindustrie hervorgeht. Vinyl-LP machen rund fünf Prozent des Gesamtumsatzes der Musikindustrie aus. Gleichzeitig ging der Verkauf an CDs und Downloads zurück und Audio-Streams knackten in Deutschland die 100-Milliarden-Marke. Es lässt sich vermuten, dass die ehemaligen CD-Käufer zum Streaming gewechselt sind oder vermehrt Schallplatten kaufen.
Diese Entwicklung kann Mathias aus seiner Erfahrung als Musiker bestätigen: „Mittlerweile verkaufen wir als Band nicht nur CDs, sondern auch bei LPs haben wir keine Probleme mehr. Das hätte es vor zehn Jahren nicht gegeben. Es gibt viele Leute, die sich wieder einen Plattenspieler gekauft oder ihn vom Dachboden geholt haben.“ Singles zu verkaufen, läuft allerdings schleppend: „Singles kaufen nur die, die Singles sammeln oder ein paar DJs, aber das geht auch oft Hand in Hand.“ Es geht aber nicht nur im die Musik auf dem Vinyl, es geht um das Gesamtpaket. Für Mathias ist es in erster Linie das Medium an sich, das die Faszination für ihn ausmacht: „Das ist eine Schallplatte. Das ist anders. Wenn du die rausholst, egal ob Single oder LP, dann weißt du, die ist jetzt 50 oder 60 Jahre alt und diese Zeit hälst du in den Händen.“ Dieses Gefühl macht sich aber nicht nur bei alten originalen Schallplatten breit.
Natürlich gibt es, besonders für Sammler, Unterschiede zwischen Originalplatten und Reproduktionen zum Beispiel bei der Tonqualität,
aber auch neuere Platten haben ihren besonderen Charme. „Selbst eine Kompilation ist immer noch cool. Du hast was in der Hand. Wenn du dich dann hinsetzt, das Cover öffnest, den Text liest und nebenbei hörst du die Musik, lernst noch was - das ist eigentlich das, was mir an der ganzen Sachen Spaß macht.“, begeistert sich Mathias.
Das kann die Entwicklung begründen, dass Leute, die noch physische Tonträger kaufen, sich eher für eine Schallplatte entscheiden. Für Mathias ist allerdings eins klar, egal was die Verkaufszahlen sagen: „Die Schallplatte kann man nicht verbessern. Im Gegenteil, die war früher mal besser als sie heute ist und da muss man erstmal wieder hinkommen.“ Also legt er weiterhin originale Schallplatten auf, bis ihnen schwindelig wird.